
Neue Arbeit
Was die junge Wirtschaft fordert
Worum es geht
Unsere Arbeitswelt befindet sich im rasanten Umbruch. Globalisierung, Digitalisierung, Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz schaffen völlig neue Rahmenbedingungen für das Arbeiten im 21. Jahrhundert. Gleichzeitig macht auch der gesellschaftliche Wertewandel nicht vor unserer Arbeitswelt halt. Die zunehmende Individualisierung, größere Sinnorientierung und das gestiegene Bewusstsein für Nachhaltigkeit bestimmen heute mehr denn je auch das Miteinander im Unternehmen. Als junge Wirtschaft sind wir auf eine zeitgemäße Arbeitswelt angewiesen, die den gesellschaftlichen Wandel hin zu neuen Arbeitsmodellen ermöglicht. Wir benötigen daher dringend ein System-Update. Dazu brauchen wir eine gute Infrastruktur und eine Arbeitswelt, die von Flexibilität, Eigeninitiative und Vertrauen geprägt ist und die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit fördert. Die betriebliche Praxis ist der Gesetzgebung hier meilenweit voraus. Deshalb wollen wir mit der Politik dazu ins Gespräch kommen, wie wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln können. Die Unternehmen benötigen Rechtssicherheit. Für die junge Wirtschaft ist klar: New Work ist nicht nur ein kurzer Hype. Wir müssen Arbeit komplett neu denken.
Was wir fordern
Chancenorientiertes Denken und Vertrauen in betriebliche Lösungen
- Wir setzen uns dafür ein, die Digitalisierungsdebatte chancenorientiert zu führen und nicht sofort die Risiken in den Fokus zu stellen. Laut 93 Prozent der Wirtschaftsjunioren brauchen wir in Deutschland eine größere Offenheit gegenüber der Digitalisierung, anstatt immer gleich die Risiken zu sehen.
- Ohne massive Investitionen in die digitale Infrastruktur unseres Landes wird New Work nicht an Fahrt gewinnen. Wo es an schnellem Internet mangelt, erübrigt sich die Diskussion um mobile Arbeit.
- Dasselbe gilt auch für den Ausbau von E-Government-Angeboten. Wir brauchen weniger Bürokratie beim Gründen. Es sollte wie in Estland möglich sein, Unternehmen online innerhalb eines Werktages zu gründen.
- Die Kräfteverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich in den letzten Jahren komplett verschoben. In Zeiten, in denen viele Betriebe händeringend im In- und Ausland nach Fachkräften suchen, haben Arbeitnehmer eine starke Stimme. Staatlicher Paternalismus passt nicht zu selbstbestimmten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit individuellen Bedürfnissen.
- Nicht alles muss staatlich reguliert werden: Wir fordern das Vertrauen der Politik in die Redlichkeit von Unternehmern und Führungskräften. Ein positives Unternehmerbild und Vertrauen in die Wirtschaft sind Voraussetzungen für ein gutes gesellschaftliches Klima und eine hohe Leistungsbereitschaft.
- Wir wenden uns gegen einen gesetzlichen Anspruch auf mobile Arbeit. Wir brauchen eine Arbeitswelt, die von Flexibilität, Eigeninitiative und Vertrauen geprägt ist.
Ein modernes Arbeitsrecht auf der Höhe der Zeit
- Die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel. Neue Technologien wie Kollaborationstools ermöglichen zeit- und ortsflexibles Arbeiten. Obwohl immer mehr Menschen mobil und weltweit vernetzt arbeiten, atmet unser Arbeitsrecht noch den Geist der historischen Industriegesellschaft. Wir müssen unser Arbeitszeitgesetz an die Digitalisierung anpassen.
- Vertrauensarbeitszeit muss auch in Zukunft noch möglich sein. Das sogenannte „Stechuhr-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs zur systematischen Zeiterfassung sorgte im Mai 2019 für große Verunsicherung. Der deutsche Gesetzgeber sollte Klarheit schaffen, um den Dokumentationsaufwand insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in erträglichem Umfang umzusetzen.
- Wie es auch die Europäische Arbeitszeitrichtlinie vorsieht, sollte im Arbeitszeitgesetz statt der täglichen die durchschnittlich wöchentliche Höchstarbeitszeit festgeschrieben werden. So können Beschäftigte in Absprache mit den Arbeitgebern selbst bestimmen, wie sie ihre Arbeitszeit einteilen.
- Faktische Hürden und gesetzliche Regelungen für mobiles Arbeiten, beispielsweise durch veraltete Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung, gehören reformiert, damit der Arbeitsschutz für Home Office entbürokratisiert werden kann. Denn für Arbeitgeber ist es aktuell sehr aufwendig, die Anforderungen an einen Telearbeitsplatz zu erfüllen. Die Arbeitsschutzvorschriften sollten an das digitale Zeitalter angepasst werden. Arbeitnehmern könnte als Lösungsvorschlag mehr Eigenverantwortung für ihren Arbeitsplatz zugesprochen werden. Zudem fordern wir, dass kleine und mittlere Unternehmen bei den datenschutzrechtlichen Anforderungen an das Home Office entlastet werden.
- Im Koalitionsvertrag hat die Große Koalition Experimentierräume für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit in tarifgebundenen Unternehmen in Aussicht gestellt. Wir fordern, dass diese nun endlich umgesetzt werden und auch nicht tarifgebundene Unternehmen daran teilhaben können, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein gemeinsames Interesse daran haben. Immer mehr Beschäftigte legen größeren Wert darauf, ihre Arbeitszeit selbstbestimmt zu gestalten, als mehr zu verdienen. Gerade für kleinere Unternehmen sind flexible Arbeitszeiten ein wichtiges Argument im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte.
Immer mehr Beschäftigte legen größeren Wert darauf, ihre Arbeitszeit selbstbestimmt zu gestalten, als mehr zu verdienen.
Bildung im digitalen Zeitalter
- Digitalisierung betrifft nicht nur technologische Aspekte, sondern ist auch ein Bildungsthema. Wer die Logik von Algorithmen nicht versteht, wird in der Digitalwirtschaft nicht erfolgreich sein. Dabei muss Bildung in einer digitalen Gesellschaft so früh wie möglich ansetzen – in der Schule. In den weiterführenden Schulen sollte qualitativ hochwertiger Informatikunterricht Standard sein.
- Als junge Wirtschaft setzen wir uns dafür ein, dass Schulen zu Orten der digitalen Alphabetisierung werden. Genauso wie alle Schüler heute selbstverständlich schreiben und rechnen lernen, sollen sie auch an digitale Technologien herangeführt werden. Es geht dabei darum, ein Grundverständnis für digitale Tools, Prozesse und Coding zu schaffen und ein digitales Mindset zu vermitteln. Schüler müssen in der Lage sein, Zusammenhänge einzuordnen und sich neues Wissen selbstständig aneignen zu können. Klar ist: Nicht jeder muss Informatiker werden. Doch wird es in Zukunft kaum einen Beruf geben, der ohne Digitalkompetenz zu meistern ist. Wer von Bildungschancen spricht, der kommt an den digitalen Technologien des 21. Jahrhunderts nicht vorbei.
- Bildung ist der zentrale Baustein im Wissenszeitalter, um beruflich flexibel auf neue Entwicklungen am Arbeitsmarkt zu reagieren. Nur 14 Prozent der Wirtschaftsjunioren sind der Meinung, dass unsere Schulen Kinder und Jugendliche auf die Arbeitswelt von morgen vorbereiten. Wir müssen alles dafür tun, dass die Lehrpläne mit den Veränderungen in unserer Welt Schritt halten – und zwar in allen Schulformen. Das betrifft nicht nur den Lehrstoff an sich, sondern auch die Art des Lernens. Kollaborative und digital unterstützte Lernformen sowie Projektarbeit bereiten besser auf die Arbeitswelt vor als stupides Auswendiglernen.
- Der Föderalismus in Deutschland darf nicht dazu führen, dass dringend nötige Bildungsreformen verschleppt werden. Gerade digitale Investitionen lassen sich deutschlandweit besser skalieren als in einzelnen Bundesländern. Wo es sinnvoll ist, sollen Bildungsthemen daher zentral koordiniert werden.
- Unternehmerische Fähigkeiten wie Eigeninitiative und Kreativität sind Schlüsselkompetenzen für das Arbeiten von morgen. Das Bildungssystem spielt bei der Vermittlung dieser Fähigkeiten und der Persönlichkeitsentwicklung eine entscheidende Rolle. 98 Prozent der Wirtschaftsjunioren sind der Überzeugung, dass neben konkretem Fachwissen die Selbstlernkompetenz und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen immer wichtiger werden.
- Durch den DigitalPakt Schule wurden von der Bundesregierung über fünf Milliarden Euro zur Förderung digitaler Maßnahmen bewilligt. Das ist ein starkes Zeichen. Wichtig ist nun, dass diese Gelder schnell in den Schulen ankommen und optimal eingesetzt werden.
Unternehmerische Fähigkeiten wie Eigeninitiative und Kreativität sind Schlüsselkompetenzen für das Arbeiten von morgen.
Duales Ausbildungssystem stärken und digitalisieren
- Unser duales Ausbildungssystem wird weltweit als Erfolgsmodell gesehen, dennoch halten viele Deutsche ein Hochschulstudium für den Königsweg. Zahlreiche Studien belegen jedoch den Mehrwert und die Effizienz durch den Mix aus theoretischem Lernen und praxisbezogenem Einsatz. 81 Prozent der Wirtschaftsjunioren sind der Auffassung, dass die berufliche und akademische Ausbildung in deutschen Unternehmen noch nicht den gleichen Stellenwert besitzen. Als junge Wirtschaft setzen wir uns deshalb dafür ein, die duale Ausbildung zu stärken.
- Bei der Digitalisierung der Bildungslandschaft dürfen die Berufsschulen nicht hinten runterfallen. Hier gibt es oft den größten Nachholbedarf. Untersuchungen zeigen, dass allein die digitale Mindestausstattung der Berufsschulen in den nächsten fünf Jahren alle Mittel des Digitalpakts aufbrauchen würde.
Offensive für lebenslanges Lernen
- Die Halbwertszeit von Wissen ist in einer sich rasant wandelnden Welt immer kürzer. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat der digitale Fortschritt alle Lebensbereiche umgekrempelt. Obwohl Smartphones erst vor wenigen Jahren auf den Markt kamen, nutzen heute 80 Prozent der Deutschen ganz selbstverständlich Smartphones. Wir setzen uns daher in Deutschland für eine neue Weiterbildungskultur ein. Arbeitnehmer jedes Alters sollen wieder die Lust am Lernen entdecken.
- Neue Technologien sorgen dafür, dass die Nachfrage nach bestimmten Berufsbildern sinkt und nach anderen rasant steigen wird. Daher begrüßen wir die erweiterte Weiterbildungsförderung durch das Qualifizierungschancengesetz. Positiv ist zu bewerten, dass kleine Unternehmen besonders stark von den Zuschüssen profitieren. In Zukunft wird es normal sein, im Laufe eines Arbeitslebens öfters die Tätigkeit zu wechseln. Schließlich dauert ein Arbeitsleben in Deutschland im Durchschnitt 39 Jahre.
- Wir wollen, dass sich jeder Bürger, unabhängig von seinem Bildungsgrad, über digitale Angebote weiterbilden kann. Vorbild kann hierfür die „Open University“ sein, die hochwertiges Studienmaterial online kostenfrei zur Verfügung stellt. Zudem sollten die Bildungsinvestitionen ähnlich wie beim Bausparen steuerlich gefördert werden, damit „Bildungssparen“ sich wirklich auszahlt.
- Lineare Karrieren sind heute noch die Regel. Nach der Ausbildung kommt der erste Job und mit zunehmender Berufserfahrung folgt die Führungsverantwortung. In Zukunft werden sich Phasen der beruflichen Tätigkeit, Ausbildung und beruflicher Auszeiten abwechseln. Veränderungen werden zum Normalzustand und Bildungswege individueller. Wir müssen uns auch darauf ausrichten, dass Menschen auch in höherem Alter ein Unternehmen gründen oder den Sprung in die Selbstständigkeit wagen.
- Wir wollen Arbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern in Elternzeit die Möglichkeit bieten, sich trotz des ruhenden Arbeitsverhältnisses bei Interesse weiterzubilden. Viele Beschäftigte wollen ihr Wissen aktuell halten und würden gerne an kurzen betrieblichen Schulungen oder E-Learnings teilnehmen.
Neue Kultur der Selbstständigkeit
- Wir brauchen eine neue Kultur der Selbstständigkeit. Deutschland hat im internationalen Vergleich eines der niedrigsten Gründungsniveaus. Die berufliche Selbstständigkeit muss wieder attraktiver werden, denn Selbstständige sind wichtige Innovationstreiber in der Wirtschaft.
- Während heute ein Großteil der Beschäftigten festangestellt ist, steigt in der Digitalwirtschaft die Nachfrage nach Freiberuflern. Projektarbeit in gemischten Teams nimmt immer weiter zu. Externe Spezialisten bringen ihre Expertise in Projekte ein und unterstützen Innovationen. Aktuell schwebt über vielen Freelancern das Damoklesschwert „Scheinselbstständigkeit“, da nicht klar definiert ist, ob ihre Tätigkeit als freiberufliche oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzustufen ist. Für mehr Rechtssicherheit muss das Statusfeststellungsverfahren in der Rentenversicherung reformiert werden.
- Selbständige sollten auch Anspruch auf Mutterschutz haben. Während das Elterngeld allen zusteht, gilt das Mutterschutzgesetz nur für Angestellte, Arbeiterinnen, Beamtinnen, Schülerinnen und Studentinnen. In der Zeit direkten Zeit vor und nach der Geburt des Kindes sollten Selbstständige allerdings wählen können, ob sie arbeiten wollen.
- Wir wollen den Gründergeist in Deutschland neu entfachen. Wir setzen uns dafür ein, die Finanzierung von Unternehmensgründungen zu erleichtern und bürokratische Hindernisse im Gründungsprozess abzubauen. Nebenberufliche Gründungen und Gründungen aus der Elternschaft sollen erleichtert werden.
Positionspapier Neue Arbeit
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