Grün, grün, grün sind alle meine Kleider

© WJD/Pia Jenner

Unsere stellvertretende Bundesvorsitzende Jeannine Budelmann schreibt regelmäßig in ihrer Kolumne für das Wirtschaftsmagazin „Markt und Mittelstand“ über Themen, die junge Unternehmerinnen und Unternehmer bewegen. In ihrem aktuellen Beitrag geht es um die Green Economy.

„Mein Bruder ist Jäger. Er isst nur Fleisch von Tieren, die aufgrund notwendiger Bestandsreduzierung getötet wurden – aus der Überzeugung heraus, so schädliche Klimagase zu reduzieren. Eine Verbandskollegin von mir beschäftigt sich beruflich mit der Sanierung von Firmengeländen, die mit Chemikalien belastet sind. Und einer meiner Freunde fährt mit wachsender Begeisterung nur noch mit dem Elektroauto durch die Gegend. Warum ich das erzähle? All das ist (im weitesten Sinne) Green Economy: ein nachhaltiges Leben für sich und die anderen zu wollen und das mit einer Wirtschaft zu erreichen, die natürliche Ressourcen schont und die Umwelt weniger belastet.

Doch wie bei vielen schönen Ideen, die auf den ersten Blick simpel und schlüssig erscheinen, ist es auch hier leider kompliziert. Ein Beispiel: Um Kohlekraftwerke zu ersetzen, wird in Frankreich gerade ein hochumstrittenes Holzkraftwerk gebaut. Nun kann aber der Bedarf an Biomasse nicht aus lokalen Ressourcen gedeckt werden, also muss Holz importiert werden, was wiederum Transportkosten und Umweltbelastungen verursacht. Gleichzeitig werden mit den Bäumen wichtige CO2- Speicher abgeholzt und Wald- und damit Erholungs- und Artenschutzfläche vernichtet. Dieses Projekt dürfte also, mit ziemlicher Sicherheit, nicht besonders nachhaltig sein.

Ein richtiges Leben im falschen?

Was ist also das „richtige“ Grün, das „wahre“ Nachhaltig? Welche Parameter sind die relevanten? Müssen wir CO2 um jeden Preis reduzieren? Was ist mit anderen Klimagasen? Was mit der Umweltbelastung durch den Abbau von seltenen Erden, die unter anderem für die Produktion von Batterien für die Elektromobilität benötigt werden? Die Abhängigkeiten sind hoch: Will ich das eine Ziel erreichen, verfehle ich vielleicht das andere. Bei aller Begeisterung für ein besseres, nachhaltiges Leben und Wirtschaften: Wir müssen ehrlich zu uns sein und hinterfragen, welche Konsequenzen die Optimierung eines Parameters auf die anderen Faktoren hat. Wir befinden uns gerade in einer Umbruchphase. In einer Zeit, in der wir neu verhandeln, was gesellschaftlich erwünscht ist und was nicht. Konzepte wie die Sharing Economy sind attraktiv, haben aber auch offensichtliche Nachteile, die eine flächendeckende Umsetzung behindern. Die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, ist noch nicht abschließend geklärt – und damit auch noch nicht die Wege, auf denen wir zu diesem Ziel kommen wollen.

Im Kleinen gibt es für Unternehmen bereits etliche Möglichkeiten: lokale Obstgehölze und eine Blumenwiese auf dem Firmengelände statt Rasen- und Taxusödnis. LED-Beleuchtung statt Glühlampen. Videokonferenzen statt Dienstreisen. Häufig ist eine solche Umstellung sogar wirtschaftlich günstiger und gleichzeitig qualitativ höherwertig. Aber müssen wir nicht größer und weiter denken? Vielleicht brauchen wir eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, was uns wirklich wichtig ist, um effizient erst an der einen Baustelle zu arbeiten und uns dann der nächsten zu widmen. Vielleicht müssen wir nach einem sinnvollen Gesamtkonzept suchen.

Eine Frage der Prioritäten

Eigentlich ist es doch selbstverständlich: Wo wir sinnvoll Ressourcen einsparen können, sollten wir es tun. Vielleicht ist eine Wirtschaftskrise wie die aktuelle auch ein guter Anlass dafür, einmal zu hinterfragen, worauf wir in unseren Unternehmen (und womöglich der Wirtschaft insgesamt) verzichten können und sollten – und was wir auf jeden Fall brauchen. Die Krise eröffnet die Chance, Prioritäten neu zu setzen. Es gibt zahlreiche Einsparpotentiale, die ohne großen Aufwand gehoben werden können, die man aber erst einmal identifizieren muss. Dafür ist es wichtig, dass alle Beteiligten mit offenen Augen durch ihr Unternehmen gehen. Es scheint: Auch die Frage nach einem Gesamtkonzept führt uns – zumindest momentan – zurück zur Einstellung und Entscheidung jedes und jeder Einzelnen. Für die Green Economy gibt es (noch) kein Patentrezept.

In Zukunft wird es insbesondere für junge Unternehmerinnen und Unternehmer darum gehen, auch neue und vielleicht nicht so naheliegende Maßnahmen zu identifizieren, die ökologische und wirtschaftliche Aspekte erfolgreich kombinieren. Welche Strömung, welche Schwerpunkte und welche Definition von grünem Wirtschaften sich durchsetzen werden, ist noch nicht klar. Klar ist aber: Es darf uns nicht egal sein!“  

Die Kolumne erschien im gedruckten Sonderheft 02/2020 des Magazins „Markt und Mittelstand“ mit dem Titelthema „Green Economy. Der Mittelstand zwischen Profitabilität und Nachhaltigkeit“.